miromente 53

Wir freuen uns, einen Ausschnitt jenes Romans von Christina Walker präsentieren zu dürfen, der 2018 mit dem Vorarlberger Literaturpreis ausgezeichnet wurde. Auch Christian Futscher und Paul Ferstl geben uns jeweils einen kurzen aber aufschlussreichen Einblick in neue Bücher, die bald erscheinen werden. Neue Gedichte gibt es von Christian Zillner (auch dabei handelt es sich um den Teil eines längeren Zyklus’) und vom Berliner Autor Steffen Brenner zu lesen. Letzterer tritt damit zum ersten Mal in der miromente in Erscheinung. Die grafischen Arbeiten stammen von Lorenz Helfer. Auch ihm danken wir herzlich für die Teilnahme an diesem Heft. Allen unseren Leserinnen und Lesern wünschen wir wie immer eine anregende Lektüre.

Wolfgang Mörth

miromente 53 – Oktober 2018


CHRISTINA WALKER
Auto

LORENZ HELFER
A Floresta

CHRISTIAN ZILLNER
Und selbst 
Gedichte


CHRISTIAN FUTSCHER
Der schönste Nabel der Welt

PAUL FERSTL
Erinnerungen


STEFFEN BRENNER
Flynn/Music Gedichte

 

 

Leseprobe:


Und selbst
Christian Zillner

 

Paris nach Mitteracht

Die Tische nach Mitternacht
rücken enger zusammen.
Ein Asiate sitzt mir gegenüber.
Pariser, wie er sagt, und
es klingt wie ein Witz.

Schwärmt mir von Nietzsche
und erklärt immer wieder,
nur eines zähle auf dieser Welt:
ein weißer Mann.

Meine Tochter ist weiß
wie du, sagt er stolz.

Aber Sie?
Ich zähle nicht.

Auch ich habe
Nietzsche gelesen.

Dass er den weißen Mann
zum Ding an sich erklärt,
ist mir entgangen. Und
wieso eine weiße Tochter?

Draußen steigt Frühnebel
aus der nächtlichen Seine.

 

Mit Homer im Park

Die Tupfen am Kleid hüpfen mit dem Kind

hinter zwei Bällen, gelb und rot, durch die Wiese.

Ein Lesbos vergessener Leidenschaft für das Wort,
das der hinkende Künstler mit dem Hund, Hephästos,
Nägeln gleich durch seine Lippen getrieben.

Die helle Haut der schwarzhaarigen Frau
am Rasengrün unter den Bäumen im Blick
gaulgerüsteter Männer beim Plastikklo.
Unser Wissen ist nichts, wir gehorchen allein
dem Gerüchte, das unter den Baumkronen schwebt.

Sachte schleicht die Linke der Rothaarigen

in die pelzige Tatze ihres glatzköpfig werdenden
Mannes. Sein dunkelhäutiger Sohn, den blauen
Helm auf dem Haar, dreht mit eindringendem Erz
seine Asphaltrunden auf dem Fahrrad.

Den Mut der Männer gesondert, ziehen die Frauen
mit ihren Kindern unter den Bäumen vom Platz.
Von duftender Würze durchräuchert die Luft
über dem Joint, aushauchend den Geist im Land
hochscholliger Äcker, wo ein paar Junge bleiben,
um mit ihrer Sehnsucht die Erde zu beißen.